12. Dezember 2017
Brustkrebs ist in den westlichen Gesellschaften die häufigste Tumorerkrankung bei Frauen.
Diese Tatsache muss man immer wieder ins Bewusstsein rufen, mit dem internationalen
Brustkrebsmonat Oktober wird das immer wieder versucht. Versucht wird auch, Fortschritte in
der Früherkennung und Behandlung darzustellen und deren Chancen und Risiken abzuwägen.
Das Mammographie-Screening-Programm dient seit mehr als zehn Jahren der Brustkrebs-
Früherkennung, steht aber dennoch im Spannungsfeld zwischen bedingungsloser Zustimmung
und kritischer Distanz.
Gerade bei widersprüchlichen Auffassungen wird in der Hoffnung auf Besseres manchmal das
Gute leichtfertig degradiert. Dabei ist das Mammographie-Screening die bisher allein
nachgewiesene Methode, Brustkrebs deutlich früher erkennen zu können, so dass in
signifikantem Ausmaß Leben gerettet werden können. Im Vergleich zu jedem anderen
bildgebenden Verfahren gelingt dies mit der weitaus geringsten Zahl zusätzlicher Eingriffe,
etwa Biopsien.
Andere Verfahren liefern unklare Befunde
Mammographie-Screening ist nicht perfekt. Nicht jeder Brustkrebs kann frühzeitig entdeckt werden. Da es auch Brustkrebs gibt, der mammographisch nicht sichtbar ist, müssen Frauen mit Beschwerden auch mit ergänzenden Verfahren untersucht werden. Man weiß auch, dass im dichteren Gewebe Brustkrebs verdeckt sein kann. Mit moderner, volldigitaler Mammographie lässt sich diese Schwierigkeit allerdings auf sehr dichtes Drüsengewebe konzentrieren, wie wissenschaftliche Untersuchungen mit State-of-the-Art-Techniken belegen. Betrachtet man die verfügbaren Daten kritisch, so sehen bedeutende unabhängige Gremien wie die International Agency of Research in Cancer (IARC) keine hinreichenden Belege dafür, dass Ersatzmethoden für das Mammographie-Screening lebensrettend wirken können. Derzeit gibt es keine evidenzbasierte Alternative zum Mammographie-Screening. Früherkennung trägt im
http://www.faz.net/aktuell/wissen/medizin-ernaehrung/keine-alternativen-zur-mammo.
09.12.2017
Erkrankungsfall sowohl zur Vermeidung als auch zur besseren Wirkung von Chemotherapien mit heilendem Ansatz bei.
Tatsächlich sind die vermeintlich besseren Verfahren kritikwürdig. Ultraschall und Magnetresonanztomographie (MRT) ermitteln deutlich mehr unklare Befunde, was mehr unnötige Biopsien und kurzfristige Kontrollen bei unsicherem Befund zur Folge hat. Ultraschall ist stark vom untersuchenden Arzt abhängig, die Wirkung damit nicht sicher. MRT benötigt die intravenöse Gabe von Kontrastmitteln, was zu seltenen, aber ernsten Nebenwirkungen führen kann.
Mammographien retten Leben
Als Screening-Nebenwirkung werden sogenannte Überdiagnosen ins Feld geführt. Davon spricht man, wenn durch eine Früherkennungsuntersuchung ein Karzinom erkannt wird, das zu Lebzeiten sonst nicht festgestellt worden wäre. Prinzipiell unterliegen Überdiagnose-Raten einer sehr großen statistischen Unsicherheit. Tatsächlich beruhen sie auf demselben Effekt, der Grundlage für Lebensrettung ist: der um viele Jahre vorgezogenen Diagnose. Ihr Auftreten ist damit bei anderen Methoden mindestens in vergleichbarem Maße zu erwarten. In Kenntnis der Datenlage und den Nutzen gegen die Risiken abwägend, unterstützen maßgebliche Gremien den systematischen Einsatz von Ultraschall oder MRT zur Früherkennung nicht.
Auch wenn die Wirkung des Mammographie-Screenings im dichten Gewebe weniger sicher ist als bei fettreichem Gewebe, bleiben wir dabei: Frauen muss weiterhin unbedingt zur Teilnahme am Screening-Programm geraten werden. Denn auch in diesen Fällen können Brustkrebserkrankungen teilweise nur durch Mammographie gefunden und Leben gerettet werden. Ein Verzicht auf Mammographie-Screening würde bedeuten, auf zuverlässigen Erkenntnisgewinn zu verzichten. Weitere Forschung hinsichtlich individualisierter Früherkennung – aber unabdingbar in einem qualitätsgesicherten System – ist nötig.
Die Statistik spricht für das Verfahren
Zahlen und Fakten belegen weltweit die Wirksamkeit des Mammographie-Screenings. Abgesehen von der recht geringen Strahlenexposition gibt es andere Nebenwirkungen bei anderen Früherkennungsmaßnahmen mindestens in gleichem oder höherem Ausmaß. Ob die Wirksamkeit einer Früherkennungsuntersuchung mit absoluten Zahlen oder relativ mit Verhältnisangaben vermittelt werden soll, wird kontrovers diskutiert. Berücksichtigt werden muss aber in jedem Fall ein statistischer Gimmick: Der Einfluss einer Früherkennungsuntersuchung lässt sich kleinrechnen, wenn man ihn auf die Gesamtbevölkerung bezieht anstelle der tatsächlichen Teilnehmerinnen an der Krebs- Früherkennungsuntersuchung. Denn ich kann nur statistisch davon profitieren, dass meine Nachbarin das Angebot der Screening-Untersuchung nutzt, wenn ich es nicht wahrnehme.
Die Medizin hat einen deutlichen Wandel erfahren. Wir folgen nicht mehr individueller Expertenmeinung, sondern wissenschaftlich belegbarer Evidenz. Im Falle der Brustkrebs- Früherkennung ist nur der Nutzen des Mammographie-Screenings erwiesen. Konsequenterweise bezeichnet die nationale S3-Leitlinie zur Früherkennung von Brustkrebs auch in der aktuellen Überarbeitung von 2017 Mammographie-Screening als das einzige Verfahren mit Wirksamkeitsnachweis in der Verringerung der Brustkrebssterblichkeit.
Das Forum – die Gastautoren:
Dr. Karin Bock, Leiterin Referenzzentrum Mammographie Süd West in Marburg
Dr. Gerold Hecht, Leiter Referenzzentrum Mammographie Nord in Oldenburg
Prof. Dr. Walter Heindel, Leiter Referenzzentrum Mammographie Münster
Prof. Dr. Sylvia Heywang-Köbrunner, Leiterin Referenzzentrum Mammographie München
Dr. Lisa Regitz-Jedermann, Leiterin Referenzzentrum Mammographie Berlin
Artikel der FAZ: „Ein Plädoyer für die Mammographie“ vom 05.12.2017