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Mammmografie-Screening: Detektion von relevanten Brustkrebsformen

Mammografie-Screening: Detektion von relevaten Brustkrebsformen

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 43/2021

Freitag, 29. Oktober 2021

Krebsfrüherkennung ist nur dann erfolgreich und damit sinnvoll, wenn dadurch die Sterblichkeit gesenkt und schweres Leiden erspart bleibt. Seit Einführung des bundesweiten Mammografie-Sreenings vor rund 15 Jahren mehrt sich die Evidenz, dass das Programm dies tatsächlich leistet.Screening-detektiertes invasives Mammakarzinom (Her2+): unscharfer Herd in Assoziation zu Mikroverkalkungen (links). Screening-detektiertes In-Situ-Karzinom (DCIS): hoher Kernmalignitätsgrad mit hochgradig suspektem, linearen Mikrokalk in segmentaler Anordnung (rechts). Fotos: Referenz-Screening-Einheit Münster-Nord/Warendorf

Brustkrebs ist mit fast 70 000 Neuerkrankungen pro Jahr die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland. Die brustkrebsbedingte Sterblichkeit ist seit Ende der 1990er-Jahre dank grundlegender Fortschritte in der Therapie rückläufig. Dennoch ist Brustkrebs weiterhin mit einem Anteil von 17,6 % die häufigste krebsbedingte Todesursache bei Frauen, gefolgt von Lungen- und Darmkrebs (15,7 % und 10,8 %) (1).

Neben der Therapie kommt der Krebsfrüherkennung eine bedeutende Rolle zu. Zwischen 2005 und 2009 wurde daher entsprechend europäischen Empfehlungen das Mammografie-Screening-Programm in Deutschland flächendeckend etabliert. Das Programm richtet sich mit 2-jährlichen Röntgenuntersuchungen der Brust an knapp 12 Millionen Frauen im Alter von 50–69 Jahren.

Das Mammografie-Screening-Programm ist in Deutschland das erste organisierte Krebsfrüherkennungsprogramm mit regelmäßiger schriftlicher Einladung aller anspruchsberechtigten Frauen, einer umfassenden Qualitätssicherung sowie vollständiger elektronischer Dokumentation und Evaluation. Die Ergebnisse der Qualitätssicherungsmaßnahmen und der Programmevaluation werden in jährlichen Berichten veröffentlicht (23).

Verschiebung auf frühe Stadien

Die präsentierten Ergebnisse belegen eindrücklich, dass das Mammografie-Screening Brustkrebs in frühen Stadien entdeckt. Bei 19 % – also knapp einem Fünftel – der entdeckten Karzinome handelt es sich um In-situ-Karzinome. Von den in Folgeuntersuchungen entdeckten invasiven Karzinomen sind 35 % ≤ 1 cm und 80 % ≤ 2 cm, lediglich 21 % der in Folgerunden entdeckten Karzinome sind den prognostisch ungünstigeren Stadien (UICC II+, gemäß der Klassifikation der Union internationale contre le cancer) zuzuordnen. Vor Einführung des Screenings wurden 56 % der Karzinome erst in diesen späteren Stadien gefunden (3) (Grafik 1).

Grafik 1Anteile fortgeschrittener Stadien (UICC II+)Bild vergrößernAlle Bilder

Die Effektivität des Mammografie-Screening-Programms zeigt sich auch in den Daten der Krebsregister zur Inzidenz und Stadienverteilung von Brustkrebs in der Zielbevölkerung. Mit Einführung des Programms ist zunächst ein Inzidenzanstieg in allen Stadien zu beobachten. Ab 2008/2009 geht die Inzidenz aller Stadien wieder zurück. Die Inzidenz früher Stadien bleibt dauerhaft über, die Inzidenz prognostisch ungünstiger Stadien sinkt dagegen unter das Ausgangsniveau. Für das UICC-Stadium III war die Inzidenz 2013/2014 um 23 %, für das Stadium IV um 24 % niedriger als 2003/2004 (4).

Damit liegen erste Indizien für einen zu erwartenden Rückgang der brustkrebsbedingten Mortalität durch das Programm vor. Diese werden durch Trendanalysen der Entwicklungen der Brustkrebssterblichkeit in verschiedenen Altersgruppen gestützt. Im Ergebnis zeigt sich in den Jahren 2017/2018 gegenüber dem Ausgangsniveau vor dem Screening eine Mortalitätsreduktion in den Screening-Altersgruppen von 50–59 Jahren um 29 % und 60–69 Jahren um 24 %. In der jüngeren Altersgruppe 40–49 Jahre bleibt die Sterblichkeit ab 2008 konstant, bei den älteren Frauen ist sogar eine leichte Steigerung bei der Sterblichkeit an Brustkrebs zu beobachten (5).

Die explizite Evaluation der Brustkrebsmortalität im deutschen Mammografie-Screening-Programm wird unter Federführung des Universitätsklinikums Münster im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz durchgeführt. Ende 2021 soll die 2. Phase der Hauptstudie mit einer voraussichtlichen Dauer von 3 Jahren starten. In dieser letzten Phase sollen die in den vorausgegangenen Studienphasen zusammengeführten Datensätze mittels verschiedener Analyseverfahren ausgewertet werden (6).

Zuverlässige Detektion

Ebenfalls aus Münster, in Zusammenarbeit mit dem Referenzzentrum Mammografie Münster und dem Landeskrebsregister Nordrhein-Westfalen (NRW), liegen zudem Erkenntnisse zur Effektivität des Mammografie-Screening-Programms bezogen auf unterschiedliche Tumorsubtypen vor. Bereits bei der histopathologischen Beurteilung der Biopsiepräparate werden standardmäßig Grading, der Hormonrezeptorstatus (Östrogen und Progesteron) sowie die Her2-Expression erhoben und dokumentiert.

In NRW ist zudem ein routinemäßiger Abgleich mit dem Landeskrebsregister etabliert, sodass differenzierte Tumorangaben zu allen Brustkrebserkrankungen bei Screening-Teilnehmerinnen vorliegen – inklusive der Information, ob die Erkrankung im Screening oder im Intervall zwischen zwei Screening-Untersuchungen detektiert wurde.

Auf Basis dieser Daten von über 50 000 Screening-Teilnehmerinnen in den Jahren 2006 bis 2010 wurden die Detektionsraten invasiver Mammakarzinome im Screening und im Intervall differenziert nach immunhistochemischer Subtypisierung analysiert. Anhand des Hormonrezeptorstatus (HR) und der Her2-Expression (Her2) wurden 4 Subtypengruppen unterschieden:

  • HR+ Her2-
  • HR+ Her2+
  • HR- Her2+
  • HR- Her2-

Die letzten 3 Gruppen wurden als biologisch aggressiv definiert. Die Detektionsraten im Screening und im Intervall der invasiven Karzinome und differenziert nach Subtypengruppen sind in Grafik 2 dargestellt.

Grafik 2Detektionsraten differenziert nach SubtypenBild vergrößernAlle Bilder

Treffsicherheit des Screenings

Insgesamt sind 443 Karzinome bei den Teilnehmerinnen aufgetreten, 26 % der Tumoren sind den aggressiven Subtypen zuzuordnen. Betrachtet man nun die Sensitivität als Maßstab für die Treffsicherheit des Screenings, so zeigt sich eine Gesamtsensitivität von 81 %. Für die aggressiven und in der Regel stärker proliferierenden Tumorsubtypen liegen die Sensitivitäten naturgemäß niedriger, da schon aufgrund eines schnelleren Wachstums nur ein kleinerer Teil durch die 2-jährliche Untersuchung entdeckt werden kann.

Mit einer durchschnittlichen Sensitivität für die aggressiven Tumorsubtypen von 77 % werden aber auch diese Tumoren in der überwiegenden Mehrheit im Screening diagnostiziert. Dass die Detektion im Screening in vielen Fällen auch einen therapeutischen Vorteil hat, zeigt eine Auswertung der Stadienverteilung der Tumoren. Während 56 % der aggressiven Tumorsubtypen im Screening im frühen Stadium UICC I entdeckt werden, sind dies im Intervall lediglich 28 % (7).

Neben Hinweisen zu positiven Effekten der Früherkennung lassen sich aus den histopathologischen Beurteilungen der Biopsiepräparate ebenfalls Erkenntnisse über die mit jeder Früherkennung einhergehenden negativen Auswirkungen ziehen. Im Mammografie-Screening-Programm werden die entdeckten (duktalen) In-situ-Karzinome (Duktales Carcinoma in situ, DCIS) im Hinblick auf Überdiagnosen und Übertherapie kritisch diskutiert.

Im Mammografie-Screening handelt es sich in 19 % aller Brustkrebsfälle um In-situ-Karzinome. Dank der standardmäßigen histopathologischen Untersuchungen liegen in der Regel vollständige Informationen zum Grading, low-, intermediate- und high-grade, der im Screening entdeckten DCIS vor. Insbesondere die low-grade DCIS haben das Potenzial einer Überdiagnose und Übertherapie. In mehreren Studien weltweit wird daher erprobt, inwieweit eine engmaschige Kontrolle eines low-grade DCIS eine sichere Alternative zur unmittelbaren therapeutischen Intervention darstellt (89).

DCIS als Qualitätsbeleg

In Münster wurden Informationen von 1 970 DCIS, die im Mammografie-Screening entdeckt wurden, mit Grading aus der Erstuntersuchung (2005–2008) und 2 darauffolgenden regulären Folgeuntersuchungen analysiert. Folgeuntersuchungen zwischen 22 und 30 Monaten nach der letzten Untersuchung werden als regulär bezeichnet. Die DCIS-Detektionsraten (gesamt und nach Grading differenziert) stellt Grafik 3 dar.

Grafik 3DCIS-Detektionsraten differenziert nach GradingBild vergrößernAlle Bilder

Im Ergebnis ist festzustellen, dass über alle 3 Screening-Runden die low-grade DCIS den geringsten Anteil und die high-grade DCIS den größten Anteil der entdeckten DCIS-Diagnosen ausmachen. Im zeitlichen Verlauf zeigt sich zudem, dass sich die Detektionsrate der low-grade DCIS im Vergleich zur Erstuntersuchung in den regulären Folgerunden halbiert. Lediglich rund 12 % der DCIS-Diagnosen in Folgerunden entfallen auf low-grade DCIS. Auch die Detektionsraten der intermediate-grade DCIS liegen in den Folgerunden im Vergleich zur Erstrunde niedriger. Die Detektionsraten der high-grade DCIS bleiben jedoch auf konstantem Niveau (10).

Durch das regelmäßige Mammografie-Screening werden demnach in rund der Hälfte der DCIS-Diagnosen biologisch relevante high-grade DCIS entdeckt, die das Potenzial haben, in biologisch aggressivere invasive Tumortypen überzugehen (1112). Die Ergebnisse sprechen zudem für eine im Vergleich zu den low- und intermediate-grade DCIS schnellere Entwicklung der high-grade DCIS.

Die leitlinienkonforme Behandlung eines DCIS beschränkt sich in der Regel auf eine lokale Therapie durch Exzision gefolgt von einer Radiotherapie. Im Falle einer Progression eines DCIS in ein invasives Karzinom ist dagegen eine systemische Therapie bei aggressiven Tumortypen meist eine Chemotherapie indiziert (13). Durch die frühe Entdeckung und Behandlung insbesondere der high-grade DCIS kann somit der Einsatz nebenwirkungsreicher Chemotherapien vermieden werden.

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie stehen im Einklang mit einer retrospektiven Analyse der Screening-Daten aus dem britischen Programm. Hier konnte eine negative Korrelation zwischen der DCIS-Entdeckungsrate und dem Auftreten invasiver Intervallkarzinome hergestellt werden. Je 1,5–3 im Screening entdeckter DCIS ist ein invasiver Tumor im darauffolgenden 3-Jahres-Intervall weniger aufgetreten (14). Es kann daher davon ausgegangen werden, dass ein Teil der high-grade DCIS bereits im Intervall bis zur nächsten Screening-Untersuchung als aggressiver invasiver Tumor zutage getreten wäre – und dies infolge des Screenings vermieden wird.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass das Mammografie-Screening-Programm Brustkrebs effizient früh erkennt. Dank der histopathologischen Differenzierung der entdeckten Fälle kann gezeigt werden, dass durch die regelmäßigen Mammografie-Untersuchungen biologisch relevante Tumortypen frühzeitig erkannt und ein Auftreten in prognostisch und therapeutisch ungünstigeren Stadien vermieden werden kann.

Im Gegensatz dazu machen die im Hinblick auf Überdiagnosen und Übertherapie kritisch zu diskutierenden low-grade DCIS nur einen geringen Teil der DCIS-Diagnosen aus. In der Zielbevölkerung zeigen sich seit Etablierung des Screenings positive Trends in der Häufigkeit fortgeschrittener Stadien und in der brustkrebsbedingten Mortalität.

Dr. rer. nat. Vanessa Kääb-Sanyal

Leiterin der Geschäftsstelle der Kooperationsgemeinschaft Mammografie